Donnerstag der 17. Februar 2011 hätte fast in die Geschichte des Bayer-Konzerns und auch NRWs eingehen können. Der Konzern meldete, in Leverkusen zunächst eine Pilotanlage in Betrieb genommen zu haben, die aus dem umweltschädlichen Klimagas “KohlenDIOXID” (CO2) hochwertigen Kunststoff produziert. Damit würde nicht nur das für die globale Erwärmung verantwortlich gemachte Gas KohlenDIOXID zu einem Rohstoff allererster Güte: Die Rezepturen, nach denen Bayer bis heute noch aus giftigsten Gasen wie Kohlenmonoxid, Chlor und Phosgen immer noch Plastik produziert, wären überholt. Oder anders ausgedrückt: Die Wohnbevölkerung im Gefahrenbereich der Bayer-Chemparks Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen könnte darauf hoffen, demnächst befreit aufatmen zu können und Kohlenmonoxid-Pipelines, die jetzt noch das tückische giftige Gas durch unsere Städte schleusen sollen, würden zu Industriedenkmälern einer ehemals lebensfeindlichen Industriekultur.
Das wäre ohne Zweifel „Innovation“, technischer Fortschritt, wie man es von einem modernen, verantwortungsbewussten Unternehmen im Umgang mit knappen Ressourcen und der Gesundheit von Mitarbeitern und Nachbarn eigentlich auch nicht anders erwarten würde. In diesem Fall sogar ein signifikanter Beitrag zur Rettung des Planeten.
Doch leider kann Bayer in seiner „Dream Production“, wie sie sie selbst nennen, angeblich auch weiterhin nicht auf Kohlenmonoxid verzichten. Der gemeldete „Durchbruch“ beim KohlenDIOXID spielt sich lediglich auf der Ebene eines Vorproduktes ab (Polyol) und ist kein Einsatz für den weiteren Einsatz von Kohlenmonoxid (CO), Chlor und Phosgen in der Plastikproduktion. Bayer bleibt also weiterhin in dieser klimapolitischen Schlüsseltechnologie innovationsfrei.
Die Konkurrenz in Fernost – Asahi Kasei – macht es in der Zwischenzeit vor. Sie hat ihre Polycarbonate Produktion bereits vor Jahren auf KohlenDIOXID umgestellt. Plastikproduktion als zukunftsweisende Kohlenstoffsenke. Auch für die deutsche Forschung auf diesem Gebiet, an der RWTH Aachen, ist klar: Nutzung von CO2 in der Kunststoffproduktion wird nicht das gesamte CO2 Klimagasproblem lösen aber einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten können ->.
Bayer beteiligt sich an dieser Forschung seit Jahren. Doch wo bleiben die Ergebnisse, wo sind die Innovationen? Warum werden neue Produktionskapazitäten immer noch mit alten, gefährlichen Technologien ausgebaut? Mit der CO-Giftgasleitung plant Bayer die Zukunft lieber mit dem Ausbau seiner sogenannten „World-Scale“-Produktionskapazitäten auf archaischem Giftküchenniveau und verhindert so die Realisierung dieser bahnbrechenden Innovation auf Jahrzehnte hinaus?
Der Konkurrent Asahi Kasei beschreibt die Vorteile seiner KohlenDIOXID-Methode bereits 2002: Der gefahrvolle Phosgenprozess entfällt und pro 1000 Tonnen Polycarbonat werden 173 Tonnen KohlenDIOXID eingespart ->. Bei einer Jahresproduktion von 330.000 Tonnen würden allein in Krefeld-Uerdingen Jahr für Jahr 60.000 Tonnen KohlenDIOXID statt wie bisher in die Atmosphäre geheizt, dann in hochwertige Kunststoffe verwandelt. Das ist doppelt so viel wie beim anschließenden Verkauf des Polycarbonats in alle Welt allein für den Transport anfällt. Oder: es entspricht den KohlenDIOXID- Emissionen von 20.000 Mittelklasse PKW mit einer Jahreslaufleistung von je 20.000km.
Doch beim Monopolisten spielt man lieber gegen sich selbst im sog. "konzerninternen Wettbewerb". Ob Krefeld-Uerdingen gegen Shanghai oder Dormagen gegen Brunsbüttel, hier spielen Innovationen kein Rolle. Sie kochen Bayer's Plastik alle aus der selben alten Phosgen-Suppe - fair geht vor.
Vor diesem Hintergrund sollte der Leitspruch der Firma noch einmal neu interpretiert werden: "Science for a better life".