Fakten die wohl keiner kennen soll:
Angst statt Fakten bestimmt die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit des Bayerkonzerns: ohne die CO-Pipeline seien nicht nur Arbeitsplätze, sondern gleich der Chemiestandort NRW bedroht usw. -> letzter Post.
Da Bayer selbst oder die NRW Politik nicht für Klarheit und Transparenz sorgen, hier einige interessante Infos und Zahlen:
CO wird - nach Aussage des Bayerkonzerns - für die Makrolon® Produktion in Uerdingen benötigt. Bei Makrolon® handelt es sich um Polycarbonat, ein Kunststoff, der wie alle Kunststoffe aus Ölderivaten gewonnen wird. Makrolon® gibt es schon seit über 50 Jahren und trifft weltweite auf rege Nachfrage mit offenbar traumhaften Zukunftsperspektiven.
Eine weitere Eigenschaft der Polycarbonate: das Produkt ist leicht und verbraucht – im Unterschied zu seinen schwereren Vorprodukten aus Ölderivaten – mehr Raum, mehr Transportraum. Es ist folglich günstiger, Polycarbonate dort herzustellen, wo sie gebraucht werden, anstatt sie um die halbe Welt zu schicken! Das zeigt letztlich auch die Standorteentwicklung des Bayerkonzerns.
Am Standort Uerdingen stehen Bayer Kapazitäten von ca. 300.000 Jahrestonnen zur Verfügung, nachdem die Produktion in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut wurde. Bei Preisen von um die EUR 3000/ Tonne (Chemical Week 5.12.2007: EUR 2900-3150) bringt es Bayer an diesem Standort auf einen Jahresumsatz von ca. EUR 900 Millionen, das entspricht ca. 3% des Konzernumsatzes (ca. 29 Mrd. in 2006).
Global gesehen hat Bayer die Makrolon® Produktion in den letzten Jahren sogar auf heute über 1 Mio. Jahrestonnen - Umsatz EUR 3 Mrd. - hochgefahren, mit neuen Werken in Shanghai, China (100.000 t), Map Ta Phut, Thailand (220.000 t), und den älteren Standorten Baytown, USA (260.000 t) und Antwerpen, BE (240.000 t).
Weitere Kapazitätsausweitungen im großen Stil sind offenbar bereits in Planung. So sind wohl allein für Shanghai 900.000 Jahrestonnen in 2009 machbar. Das entspräche glatt einer Produktionsverdoppelung bei Bayer innerhalb eines halben Jahrzehntes.
Bayer, neben Sabic einer der weltweit größten Polycarbonatproduzenten, rechnet folglich mit überdurchschnittlichen Wachstumschancen und sieht ein starkes Potential für neue Anwendungen und Märkte.
Betrachtet man den deutschen Markt für Polycarbonat, findet man weitere interessante Daten:
Jahresproduktion Polycarbonat (2002): 741.774 Tonnen (Eurostat, Luxemburg)
Importe Polycarbonat (2006): 157.078 Tonnen (Eurostat, Luxemburg)
Bei der Interpretation der Daten ist mit zu beachten, dass bei Polycarbonaten große Qualitätsunterschiede bestehen. So führt Bayers Makrolon® qualitativ offensichtlich die Spitze der Qualitätsskala an. Bayer spricht bei Makrolon® sogar von "High-tech Polycarbonat". Ein Alleinstellungsmerkmal also, dass nicht so leicht kopiert werden kann (sonst wäre es ja auch nur ein Allerweltsprodukt).
Entsprechend hochwertig ist denn auch der "Heimatmarkt" entwickelt (immerhin wurde Makrolon® in Uerdingen erfunden), denn deutsche Polycarbonatexporte gibt es keine! Die gesamte deutsche Inlandsproduktion an Polycarbonat wird auch im Inland weiterverarbeitet. Von den in Deutschland für 2007/ 2008 geschätzt benötigten 1 Mio. Jahrestonnen Polycarbonat, können nur ca. 80% aus heimischer Produktion abgedeckt werden - paradiesische Zustände auf Bayers "Heimatmarkt".
Für die deutsche Polycarbonate verarbeitende Industrie heißt das, es gibt zur Herstellung hochwertiger Produkte keine Alternative zu Bayers Makrolon®. Bayer erfreut sich folglich in Deutschland einer Monopolstellung!
Ein weiterer günstiger Aspekt für den "Heimatmarkt": auf Importe aus Nicht-EU Staaten werden 6,5% Zoll erhoben, was den EU Binnenmarkt für Polycarbonate vor "überbordendem" Handelstrieb neureicher Schwellenländer schützt (anders in den USA, wie Bayer in 2006 in einem Schreiben an den US-Handelsbeauftragten "schmerzlich" zu beklagen weiss, und entsprechende Schutzzölle einfordert: mehr hier inkl. einiger interessanter Daten zum Bayerstandort Baytown (USA), von der Größe her vergleichbar dem in Uerdingen)
Nach Lage der Dinge heißt das für die NRW Chemie: sichere Arbeitsplätze im Polycarbonatbereich auf Jahre hinaus. Mindestens! Sollten sich die Wachstumsphantasien des Bayerkonzerns - was das Makrolon® angeht - bewahrheiten, ist zusätzlich mit neuen innovativen Anwendungen und damit auch neuen Arbeitsplätzen in NRW zu rechnen.
Probleme dagegen – konjunkturelle mal ausgeschlossen - sind weit und breit nicht zu erkennen. Selbst ein Verkauf der Makrolon® Produktion an einen Konkurrenten oder Finanzinvestor kann der weiterverarbeitenden Industrie wohl egal sein. Falls aufgrund der hohen Güte Makrolon® der Grundstoff für ihre Produkte sein muss, zahlen sie heute bereits den Monopolpreis.
Noch einmal zusammengefasst:
- Bayer kontrolliert als Marktführer den Weltmarkt für Polycarbonat auf drei Kontinenten
- Makrolon® kann z.Zt. wohl kaum durch billigere sprich minderwertige Produkte substituiert werden -> Monopolstellung
- der transkontinentale Handel von Polycarbonaten ist bei den hier für den dt. Markt benötigten Volumina wirtschaftlich unsinnig
- überdies sichern Schutzzölle den EU Binnenmarkt
- der dt. Binnenmarkt nimmt mehr Polycarbonate ab als hier produziert werden kann
- für die weiterverarbeitende Industrie in NRW ist es letztlich unerheblich wie die Eigentümer der in Deutschland angesiedelten Polycarbonatproduzenten heißen
- die weiteren Aussichten: glänzend, mit überdurchschnittlichen Wachstumschancen
Nur eins kann man hier wirklich nicht erkennen: nämlich irgendeine wirtschaftliche Notwendigkeit, oder gar ein öffentliches Interesse, eine hochriskante CO-Giftgaspipeline von Dormagen nach Uerdingen zu verlegen...
Um die dortige Makrolon® Produktion und die daran hängenden Arbeitsplätze noch zukunftssicherer zu machen?
Auf Kosten enteigneter Grundstückseigentümer?
Auf Kosten massenhafter Wertminderungen an Gründstücken und Häusern angrenzender Siedlungen – schamlos und entschädigungslos?
Unter bewusster in Kaufnahme des Havarierisiko mit möglicherweise tausenden Toten und Verletzten?
Über welches Land reden wir hier eigentlich noch einmal?