Dienstag, 15. April 2008

Bezirksregierung: 200 Jahre im Dienste Seiner Majestät

Das System der Bezirksregierungen gibt es bereits seit ca. 1808, vom alten Preußenkönig Friedrich Wilhelm auf den Weg gebracht. Zum Vergleich: NRW wurde 1946/47 "zusammengestellt" …

Bezirksregierungen haben also einiges erlebt, sind durch unruhige Zeiten gegangen, aber letztlich sind sie unbeschadet im Hier und Jetzt angekommen: sie haben geschmeidige 200 Jahre auf dem Buckel und machen z. Zt. auf so genannte „Mittelbehörden“, mächtige Verwaltungseinheiten, die den Willen des Volkes, sprich des Landesparlamentes/ der Landesregierung, technisch umsetzten und exekutieren sollen.

Soweit die Theorie, denn Bezirksregierungen bringen ein nicht ganz unproblematisches Manko mit aus den Tiefen der Zeit: Bezirksregierungen sind, mitten in unserem demokratischen Gemeinwesen, demokratisch nicht legitimierte Verwaltungseinheiten, angeführt von Präsidenten, die nie von einem Wähler gewählt wurden.

So gesehen sind sie immer noch Einrichtungen von Königs Gnaden…

Da der letzte systemkonforme Chef, also wohl Willi II, bereits 1918 abdankte, stellt sich die Frage, wer seitdem den Laden „befehligt“ und kontrolliert, denn er funktioniert ja offensichtlich im dritten Jahrhundert noch immer reibungslos, egal wer gerade und wann meinte darüber zu stehen: ob Kaiser, König oder Ministerpräsidenten, ob in Zeiten finsterster Diktatur oder blühender Demokratien.

Es ist kaum von der Hand zu weisen: Bezirksregierungen sind systemresistent!

In einer Welt der Vergänglichkeit hat sich die Bezirksregierung offensichtlich sehr erfolgreich ein Stück Ewigkeit gesichert.

Diesem Status am nächsten kommen in unserer Welt nur Religionen und alte Unternehmensdynastien.

Es dürfte also nicht wundern, wenn sich hier die ein oder andere Nähe entwickelt hätte in all den langen Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten, beim gemeinsamen Gang durch die Geschichte. Eine vielleicht schon fast menschlich zu nennende Nähe zwischen der Bezirksregierung und „ihren“ alten Unternehmungen vor Ort vielleicht… Verwunderlich wäre, wenn es nicht so wäre.

Ministerpräsidenten, Minister, Abgeordnete… die gewählten Damen und Herren in ihren Parlamenten kommen und gehen. Bezirksregierungen mit ihren Regierungspräsidenten, ihrem Verwaltungsapparat, SIND.

Und sie sind von niemandem ernsthaft kontrollierbar, denn wer sollte das sein? Wir, das Volk haben keinerlei Handhabe, denn abwählen kann man eine Bezirksregierung nicht. Selbst reformwillige Landesregierungen können letztlich nur scheitern, sie sind nicht lange genug im Amt.

Welche Konsequenzen hat dieser Ewigkeitsstatus der Bezirksregierungen für Unternehmen wie Bayer, RWE/ Rheinbraun, Solvay, EON, Gelsenwasser, DSK usw.?

Wenn sie schlau wären, hätten sie alle einen guten Draht dorthin, und stünden immer gerne mit ihrem Sachverstand zur Verfügung, denn Verwaltungskompetenz ist immer auch auf Expertenrat angewiesen (s. Thema Leihbeamte in Bundesministerien).

Und so sieht es immer wieder aus wie es aussieht, und Jürgen Büssow, seines Zeichens 32ster Regierungspräsident der Bezirksregierung Düsseldorf (gezählt bei Wikipedia), exekutiert den Bau einer CO Giftgasleitung für den Bayer Konzern, für den Anfang mal auf 70 km durch Wohngebiete projektiert, ohne Rücksicht auf ein Wahlvolk, denn es interessiert ihn nicht, es ist nicht seins.

Und die Landesregierung?

Sie ist natürlich für die Giftgasleitung. Keine Frage. Aber immer wenn Wirtschaftsministerin Thoben oder ihr Chef MP Rüttgers – immerhin demokratisch zu Amt und Würden gekommen - zur Giftgaspipeline Stellung nehmen, wenn, dann schieben sie jegliche Verantwortung an der Projektausführung auf die Bezirksregierung Düsseldorf, die gleich auch noch diese grenzwertige Errungenschaft dt. Ingenieurkunst dem begriffsstutzigen Bürger vor Ort plausibel machen soll (was aber niemals die Aufgabe der Bezirksregierung sein kann, denn dafür ist bei einer Bezirksregierung ausschließlich der König zuständig).

Ähnlich auch die absurde Forderung der Landesregierung, von der Bezirksregierung zu verlangen, die vom OVG geforderte Konkretisierung des "Gemeinwohls" beim Enteignungsgesetz nachzuliefern...

Mit diesen ministeriellen Taschenspielertricks wird versucht, Verantwortungen zu verschleiern: plötzlich ist - uhhps - nichts und niemand mehr da, der demokratisch legitimiert für den Trassenverlauf geradestehen muss, der für die Projektausführung politisch zur Verantwortung gezogen werden kann, den wir, wenn was schief geht, juristisch belangen, den wir abwählen könnten bei der nächsten Wahl, um ihn auf dem Kehrichthaufen der Geschichte zu entsorgen…

Auf diesem Kehrichthaufen landen wohl eher wir, die BürgerInnen, denen nicht egal ist ob vor ihrer Haustür eine CO Giftgasleitung betrieben wird… Nehmen wir wenigstens unsere Landesregierung bei der nächsten Wahl dahin mit.

Und die ewige Mutter Bezirksregierung tut das was sie immer tut: sie schiebt das ganze demokratische Lamento einfach weg, um schließlich die so "wichtigen" neuen CO Giftgas-Pipelinetrassen für eine bessere NRW Zukunft freigeräumt zu haben.