Donnerstag, 11. August 2011

Marijn Dekkers geht es gut

Ob die gute körperliche Verfassung in der sich der Bayer-Chef sieht an der genmodifizierten Nahrung gelegen hat, die er 15 Jahre lang in den Vereinigten Staaten von Amerika zu sich genommen hat – wie er selber meint? Oder ist seine Lage eher mit der des Mannes zu vergleichen, der aus dem 25. Stock eines Hochhauses springt und nach dem ersten Schreck und 15 Stockwerken tiefer sich immer noch bester Gesundheit erfreut?

Für Dekkers ist das Einstellungssache: „In Deutschland stört mich die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung zum Risiko“ erklärt er in der Wirtschaftswoche (WiWo, Nr. 32, 8.8.2011). In den USA ist das besser.

Der Spaß am Risiko hört bei Dekkers allerdings schlagartig auf, wenn Gerichte in Deutschland seinem Bayer-Konzern in die Planung pfuschen. „Es kann doch nicht sein, dass wir eine Genehmigung des Landes erhalten, die Pipeline dann aber nicht in Betrieb nehmen dürfen“ ereifert er sich im zitierten WiWo-Interview.

Vielleicht funktioniert das ja in China so (was noch zu beweisen wäre), wo die kommunistische Staatspartei schon für die nötige „Planungssicherheit“ sorgt. Deutschland dagegen ist ein Rechtsstaat in dem es den Bürgern freisteht unabhängige Gerichte anzurufen. Zumal wenn, wie im Fall des von Dekkers’ Bayer-Konzern betriebenen Bau einer CO-Giftgasleitung, tief in die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger eingegriffen wird.

Glaubt Dekkers ernsthaft, dass sich ein U.S. Amerikaner seine verfassungsmäßig garantieren Rechte – etwa aufgrund der behaupteten höherer Risikobereitschaft - von einem Konzern wie Bayer streitig machen lassen würde?

Und für alles andere muss man in Amiland teuer bezahlen: So schiebt Bayer gerade 500 Millionen EUR an amerikanische Reisbauern rüber, denen man in den letzten Jahren – versehentlich? – genmanipulierte Reissaaten verkauft hatte. Das Geld soll jetzt verhindern, dass die Bauern vor Gericht ziehen, natürlich vor amerikanische Gerichte. Und die sind nicht zimperlich, wenn es um Schadensersatzforderungen geht.

Dekkers Kritik an den deutschen Verhältnissen stellt, zumal im Falle der CO-Giftgasleitung, sein Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fundamental in Frage. Immerhin hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes geäußert, auf dessen Grundlage Dekkers’ Pipelinebau beruht. Dieser Tatbestand ist seit 2007 bekannt, was Bayer nie davon abhielt, den Bau der Leitung weiter zu betreiben. Das Gericht wies Bayer sogar auf das erhebliche Risiko, dass die Pipeline im ausstehenden Hauptsacheverfahren scheitern wird, ausdrücklich hin.

Dabei ist die gerichtlich noch zu verhandelnde Frage nach der Verfassungsmäßigkeit nur ein Punkt unter vielen. Auch die Trasse selbst steht zur Disposition, zumal in Abschnitten wo sie direkt an oder durch Wohngebiete verläuft. Das sind krasse Planungsvergehen, die selbst Gas-Pipelines mit überragendem öffentlichem Interesse, wie etwa die in Bau befindliche mächtige „Nordstream“ Leitung, stoppen und auf neue Trassen zwingen können (Niedersächsisches OVG).

Wenn der Bayer-Konzern unter der Führung Marijn Dekkers meint unter diesen gesellschaftlichen Rahmenbediungen nicht arbeiten zu können, da er damit ausweislich nicht umgehen kann, muss der Konzern die notwendigen Konsequenzen ziehen. Das kann beispielsweise die Verlagerung des Standortes in Länder sein, in denen private Investoren nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien behelligt werden oder ein der Bayer AG freundlich gesonnener Diktator alle Hindernisse aus dem Weg räumt. Die Plastiksparte des Bayer-Konzerns investiert ja bereits schwerpunktmäßig in China (aber wohl eher wegen der Aussicht 1,3 Milliarden Chinesen mit Plastiktüten zu beglücken).

Tipp: Vielleicht sollte Dekkers zunächst eine CO-Giftgasleitung durch Shanghai planen – als Test sozusagen, ob der Chinese wirklich ruhig hält.