Bisher
kannte man den Fliegenden Holländer. Ein holländischer Kapitän, der Gott
verfluchte weil er sein Schiff nicht im Griff hatte und zur Strafe als
Geisterfahrer zur See endete. Jetzt
gibt es wieder einen Holländer, der offensichtlich seine Probleme lieber anderen
zuschiebt. Nach Berichten der WAZ und RP ließ sich Bayer-Chef Marijn Dekkers
jüngst im Kreise der kommunistischen Führungskader Chinas über die
Unzufriedenheit des Bayer Konzerns mit der Rechtsstaatlichkeit am Bayer-Standort
Deutschland aus.
Mit
Blick auf die bisher gerichtlich blockierte CO-Giftgasleitung durch die
Wohngebiete Nordrhein-Westfalens sprach Dekkers in China verniedlichend von
"Chemiepipeline" und beklagte, neben mangelnder "Innovationsakzeptanz" und
"Planungssicherheit", die juristischen Auseinandersetzungen mit Anwohnern und
den Hang der Deutschen selbst kleinste Risiken vermeiden zu wollen. Wie gut,
dass wenigstens in der Volksrepublik China alles so gut klappt... Deren
Führungsclique wird sich auf die Schultern klopfen. Endlich wird Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit als Standortnachteil entlarvt. Und das auch noch vom
Bayer-Chef aus Deutschland persönlich.
Es
ist eine Sache, als Holländer Deutschland-Bashing in China zu betreiben (man
stelle sich das nur mal in einer anderen Konstellation vor). Doch es ist etwas
ganz anderes, wenn der Chef eines DAX-Konzerns mit solchen Äußerungen einen
Realitätsverlust dokumentiert der ihn für diesen Posten
disqualifiziert.
Selbst
in Shanghai gibt es keine "Chemiepipeline", die Kohlenmonoxid durch die
Wohnviertel der Stadt transportiert, wie es überhaupt auf der ganzen Welt keine
vergleichbar fahrlässige Trassenführung - wie sie in Nordrhein-Westfalen zu
besichtigen ist - für dieses „Produkt“ gibt. Und damit erschöpft sich auch schon
Bayers Innovationspotential in diesem Fall.
Die
angeblich fehlende "Innovationsakzeptanz" in Deutschland allgemein und NRW ganz
speziell ist jedenfalls eine echte Lachnummer. Seit Jahrzehnten hat die
chemische Industrie keine bahnbrechende Innovation mehr hinbekommen (s. auch Roland Berger in der FAZ vom 21.11.11.). Statt auf innovative Plastikerzeugung
aus dem Klimagas Kohlendioxid, setzt auch Bayer bei seinen aktuell laufenden
weltweiten Kapazitätsausbauten auf Jahrzehnte hinaus weiter ausschließlich auf
Produktionsverfahren, wie sie bereits seit einem halben Jahrhundert im
Wesentlichen unverändert zur Anwendung kommen. Die einzig wegweisende Innovation
jedoch, nämlich Plastik aus dem Klimagas Kohlendioxid zu erzeugen und damit
langfristig der Atmosphäre zu entziehen - und wer hat’s eigentlich erfunden Herr
Dekkers, etwa die Chinesen? – kommt bei Bayer lieber bei Preisausschreiben zum
Einsatz.
Unter
„Planungssicherheit“ versteht Herr Dekkers offenbar eine staatliche Garantie,
Projekte des Konzerns immer und überall bedingungslos zu unterstützen. Natürlich
ohne Gegenleistung, wie etwa dem Einhalten von in rechtlich bindenden
Planfeststellungsbeschlüssen vereinbarten Prozeduren. Selten ist ein Fall
bekannt geworden, wo ein Vorhabenträger, die mit dem Staat getroffenen
Vereinbarungen so ungeniert und öffentlich als wertfreie Prosa bloßstellte, wie
der Bayer Konzern im Fall der CO-Giftgasleitung.
Dass
sich ein DAX-Vorstand über juristische Auseinandersetzung mit Anwohnern wundert,
denen sein Konzern auch mit dem Zwangsmittel der Enteignung eine Giftgasleitung
vor die Haustür legt, dokumentiert einmal mehr eine ausgeprägte Verachtung des
Rechtsstaates. Auf dem juristischen Prüfstand steht z.Zt. nichts anderes als die
Frage, ob der Bau und Betrieb einer CO-Giftgasleitung durch einen privaten
Investor namens Bayer dem Wohl der Allgemeinheit dient und damit den
grundgesetzlich garantierten Schutz des Eigentums aushebeln darf. Oder anders
formuliert: Muss der Bürger Eigentumseingriffe und damit Wertverluste klaglos
hinnehmen, damit der Bayer Konzern seinerseits seinen Eigentümern höhere
Renditen ausschütten kann? Schließlich hätte Bayer seine vor Ort bestehende
Produktion von Kohlenmonoxid in Krefeld-Uerdingen ja auch ausbauen oder seine
Kunststoffproduktionen am
Standort Dormagen zusammenführen können.
Schon
der Fliegende Holländer verfluchte lieber seinen Gott, anstatt es mit einer angepassten Strategie zu versuchen. Auch der Holländer Dekkers lügt sich
jetzt mit der unmöglichen Sicherheit
seiner „Chemiepipeline“ durch die dichtbesiedelten Wohngebiete von 150.000 Menschen lieber einen in die Tasche
und macht überall nur noch feige Deutsche
aus, als sich endlich ehrlich zu machen und entsprechend zu handeln. Aber das
würde wohl etwas mehr Courage vom Holländer erfordern, die offenbar auch schon sein Fliegender Vorfahre vermissen ließ.
Kapitän
Dekkers hält das Bayer-Schiff lieber auf dem alten Kurs. Weiter geht die große
Geisterfahrt.